Dr. Helmut Herrmann Gutachterhomepage


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Begutachtungen SGB V (Krankenversicherung)

Ein medizinischer Gutachter kann beigezogen werden, um z.B. folgende medizinische Indikationen zu prüfen:
- Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V
- stationäre (vorzeitige) Rehabilitation nach § 40 SGB V
- Notwendigkeit einer Haushaltshilfe nach § 199 RVO (bei Schwangerschaft) oder § 38 Abs. 2 SGB V (bei ambulanter Erkrankung)
bzw. als (freiwillige) Satzungsleistung
- ständige Pflegebereitschaft


Hilfsmittel nach § 33 SGB V
:
Nach § 33 SGB V muss ein beantragtes Hilfsmittel den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine Behinderung ausgleichen, soweit das Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen ist.

Bezüglich der Hilfsmittel existiert ein
Hilfsmittelverzeichnis, das von den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellt wird. Voraussetzung für die Aufnahme neuer Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis ist es, dass der Hersteller die Funktionstauglichkeit und den therapeutischen Nutzen des Hilfsmittels sowie seine Qualität nachweist.
http://db1.rehadat.de/gkv2/Gkv.KHS?Usage=GKV&State=-1
Dieser Nachweis ist aber im Einzelfall nicht unabdingbare Voraussetzung zur Gewährung eines Hilfsmittels nach § 33 SGB V, wenn im Einzelfall ein Behinderungsausgleich, eine notwendige Therapie oder eine drohende Erkrankung nur mit diesem Hilfsmittel bewerkstelligt werden kann.

Zu unterscheiden ist, ob ein Hilfsmittel dem
unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleich dient.
So handelt es sich z.B. bei der Versorgung mit einer Armprothese oder einer Kniegelenksprothese (z.B. C-Leg) um einen
unmittelbaren
Behinderungsausgleich; hier gilt das Gebot, dass die verlorene Körperfunktion in Gänze wiederherzustellen ist. Soweit dies mit
Hilfsmitteln nicht vollständig gelingt, ist das Gebot der Wirtschaftlichkeit nach § 12 SGB V nicht überschritten. Die Prüfung der
Wirtschaftlichkeit ist hier nur zwischen verschiedenen gleichwertigen Versorgungsvarianten vorzunehmen.
Solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig erreicht ist i.S. eines Gleichziehens mit einem gesunden Menschen, kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend. Andererseits darf aber der Hinzugewinn an Funktionalität durch ein Hilfsmittel nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Kostenaufwand stehen.

Beim
mittelbaren Behinderungsausgleich ist die GKV nur für einen Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und es ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums.
(BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 13; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr).

Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört u.a. die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens.
(BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18).

Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung (~ 2 km) liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (z.B. Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs.
Für weitere Strecken als den unmittelbaren Nahbereich sind zusätzliche qualitative Momente nötig.
(vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

Info zu Auslegungshinweisen des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen):
http://www.sindbad-mds.de/


Beispiele für typische Hilfsmittel nach § 33 SGV:
Leichtgewichtrollstuhl, Elektrorollstuhl, Aufstehrollstuhl, Umfeldsteuerung bis zuweilen Kommunikationshilfe, Hausnotrufsystem, Pflegeliegerollstuhl (biszuweilen Multifunktionsrollstuhl), Umsetzhilfen, Deckenlift, Shoprider, elektrische Aufstecksysteme für den Rollstuhls oder Zughilfen, Pflegebetten, Therapiefahrräder, diverse neuere Therapieverfahren, Lichtsignalanlagen, Antidekubituskissen, Rollstuhlzughilfen usw.


Notwendigkeit einer stationären Rehamaßnahme versus ambulanter Therapie:
Ein Anspruch auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 40 Abs. 2 SGB V i. V. m.
§ 39 SGB I (Ermessensleistungen) besteht dann, wenn Leistungen der ärztlichen Behandlung oder ambulante Rehabilitations-
maßnahmen nicht ausreichen, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten
oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Nach § 40 SGB V Satz 3 können stationäre Leistungen nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder
ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst
worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich.

Voraussetzung ist, dass die stationäre Leistung zur Rehabilitation einen
Behandlungserfolg erwarten lässt.
Vom Gutachter darzulegen ist insbesondere das
Rehabilitationsziel, das Rehabilitationspotenzial sowie der konkrete
Rehabilitationsbedarf und inwieweit ambulante Therapien im Rahmen der (medizinischen) Indikation und der gegebenen
Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind.
Sofern die Wegefähigkeit nicht gegeben ist und ambulante Therapien mit Geräteeinsatz indiziert sind, kann der Patient nicht darauf verwiesen werden, dass ambulante Therapien in der Vergangenheit noch nicht ausgeschöpft worden sind.



Rehasport/Funktionstraining
Soll funktionseingeschränkten oder hiervon bedrohten, aber noch gut mobilen und belastbaren Menschen durch Anleitung und Unterweisung in Bewegungsübungen und/oder Sportarten Hilfestellung geben, um in Eigeninitiative und Selbsthilfe auf Dauer die erlernten Übungen/sportlichen Betätigungen im Anschluß selbständig auszuüben.
Seit Inkrafttreten des SGB IX zum 01.01.2001 besteht ein Rechtsanspruch auf Kostenübennahme für den Rehabilitationssport. Vormals war die Kostenübernahme eine Ermessensleistung.

Nach der neuen Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 1.01.2011 sind ausgeschlosse Kurse:

  • die vorrangig oder ausschließlich auf Beratung und Einübung von Hilfsmitteln abzielen (z.B. Rollstuhlkurse)
  • die vorrangig oder ausschließlich Selbstverteidigungsübungen und Übungen aus dem Kampfsportbereich umfassen
  • die Übungen an technischen Geräten, die zum Muskelaufbau oder zur Ausdauersteigerung dienen (zum Beispiel Sequenztrainingsgeräte, Geräte mit Seilzugtechnik, Hantelbank, Arm-/Beinpresse, Laufband, Rudergerät, Crosstrainer), beinhalten. Eine Ausnahme stellt lediglich das Training auf Fahrradergometern in Herzgruppen dar.


Ein Gerätetraining ist deshalb nicht mehr abrechenbar (z.B. Krafttraining).

Rehabilitationssport wird von den Krankenkassen oder der DRV primär mit dem
Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe und über einen begrenzten Zeitraum bewilligt. Die Dauer der Maßnahmen reicht in der Regel von 6 Monaten bis zu 36 Monaten und sind mit der jeweiligen Indikation verknüpft. Die Durchführung wird in Gruppen mit hierfür speziell ausgebildeten Übungsleitern sichergestellt. Neben der Rehabilitation soll der Übende motiviert werden, nach dem Ablauf der Leistung weiteren Übungen in Eigenverantwortung durchzuführen.

Als Rehabilitationssportarten anerkannt sind
- Gymnastik
- Leichtathletik
- Schwimmen
- Bewegungsspiele in Gruppen
- sowie Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins speziell für behinderte oder von Behinderung betroffene Frauen und Mädchen.

Als Funktionstraining werden anerkannt Trockengymnastik und Wassergymnastik.

Verordnet werden können im Rahmen des Rehabilitationssports und Funktionstrainings als Erstverordnung durch einen zugelassenen Arzt
- 50 Übungseinheiten in 18 Monaten (Regelfall)
- 120 Übungseinheiten in 36 Monaten (nur bei festgelegten bis zuweilen chronischen Erkrankungen möglich)

Pflegebereitschaft
Die Notwendigkeit einer ständigen Krankenbeobachtung ergibt sich immer dann, wenn nicht vorhersehbar und nicht planbar jederzeit eine krankheitsspezifische Pflegemaßnahme erforderlich werden kann und nur so die weitere ärztliche Behandlung gesichert werden kann. Die Notwendigkeit einer ständigen Pflegebereitschaft ergibt sich nicht allein aus dem Krankheitsbild, sondern im Wesentlichen aus der Notwendigkeit, dass rund um die Uhr jederzeit und sofort zur Vermeidung einer Gefahr für Leben und Gesundheit eine krankheitsspezifische Pflegemaßnahme erforderlich werden könnte.

Unter dem Begriff von krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen sind behandlungspflegerische Tätigkeiten zu verstehen, die durch bestimmte Erkrankungen verursacht werden und speziell auf den Krankheitszustand des Pflegebedürftigen ausgerichtet sind (krankheitspezifisch), um die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (ärztliches Behandlungsziel).

Typische krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die über einen längeren Zeitraum und unvorhersehbar sofort durchgeführt werden müssen, da ansonsten das Leben und die Gesundheit des Pflegebedürftigen gefährdet werden und damit Pflegebereitschaft begründen, sind typischerweise:
- Überwachung eines Beatmungsgerätes und Erkennen von Störungen, gegebenenfalls Wechsel des Beatmungssystems bei unvorhergesehenem Ausfall
- manuelle Beatmung bei Ausfall des Beatmungsgerätes
- Absaugen von Lungensekret
- Wechsel, Pflege und Blockung einer Trachealkanüle
- Pflege eines Tracheostoma
- Vorbeugung von Komplikationen der Lunge (Bronchitis, Pneumonie und Atelektasen)
- Überwachung des Schluckaktes bei Aspirationsgefahr
- Notfallmanagement nach Checkliste bei ständiger Überwachung von Herzfunktion und Atemfunktion

Hinsichtlich der Frage, ob eine ständige Pflegebereitschaft zusätzlich zur Grundpflege nach dem SGB XI und zur Behandlungspflege nach dem SGB V erforderlich ist, kommt es im Wesentlichen darauf an, ob eine ständige Interventionsbereitschaft erforderlich ist zur Sicher-stellung oder Beobachtung der Vitalfunktionen, ob der Pflegebedürftige sich selbst bemerkbar machen kann und ob Interventionen unvorhersehbar erforderlich sind und sich hieraus eine bleibende Gesundheitsverschlechterung ergeben könnte.






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